Oder auch: Wie funktioniert das kognitive Funktionsmodell von C.G.Jung? Ich versuche dieses Modell mit einer kleinen Metapher zu erklären.
Man kann sich die Funktionen (mehr dazu siehe hier) als eine Art Kompass vorstellen. Es ist noch immer umstritten, ob und wie viel Einfluss die Gene auf unsere generelle psychologische Orientierung haben, aber in dieser Metapher gehen wir davon aus, dass wir als Menschen irgendwo auf der Welt „abgesetzt“ werden. Kurz vorher oder nachher steht eines fest: Wir sind introvertiert oder wir sind extrovertiert.
Wir befinden uns also irgendwo auf der Welt und sind (in unserem Beispiel) introvertiert. Wir müssen uns jetzt überlegen, in welche Richtung wir gehen wollen, denn nun, da wir auf der Welt sind, gibt es so etwas wie die „Zeit“ und die „Zeit“ bewegt sich, ob wir es wollen oder nicht. Als Introvertierter können wir nun unsere Richtung und damit unseren Kompass wählen (in der Realität ist dieser Prozess jedoch nicht bewusst, wir entscheiden uns nicht für oder gegen eine Funktion…sie ist einfach „da“!) Es gibt nun 4 Auswahlmöglichkeiten oder Kompass-Modelle: Fi, Ni, Si oder Ti.
Wir entscheiden uns in diesem Fall für den Fi-Kompass. Allerdings sind wir noch relativ neu auf dieser Welt und kennen uns daher noch nicht so aus. Wir gehen daher einfach mal los und versuchen die Funktionsweise unseres Kompasses auf dem Weg zu erlernen. Wir gehen in diesem Fall strikt nach Norden (Fi). Und zwar immer weiter! Warum sollten wir schließlich auch was ändern? Wir könnten zwar auch umdrehen, aber warum? Wir gehen immer weiter und hinterlassen einen Pfad hinter uns. So funktioniert unser Gehirn, wir gehen unsere Wege, und je öfter wir einen Weg benutzen, desto mehr Spuren hinterlassen wir.
Hindernisse und Kurswechsel
Nun kommen wir jedoch vor ein Problem. Wir sehen einen riesigen Berg vor uns, der den geraden Weg Richtung Norden (Fi) blockiert. Wir haben drei Möglichkeiten: Wir könnten umkehren (aber wieso? Viel zu anstrengend, außerdem kennen wir den Weg ja bereits!), oder wir umgehen den Berg, links oder rechts? In jedem Fall müssen wir eine weitere Richtung kennen lernen, wenn wir nicht in unserer Entwicklung stehen bleiben wollen. (Stehenbleiben ist keine reale Option, weil in der realen Wirklichkeit irgendwann Raubtiere oder Ähnliches auftauchen würden und uns „zwingen“ uns weiterzubewegen) Nun denn, wir sind noch jung und neugierig und entscheiden uns daher nach rechts Richtung Osten (Ne) zu gehen.
Wir umgehen den Berg rechts und gehen dann weiter gerade aus. Warum auch nicht, denken wir uns. Und so schreitet unser Leben immer weiter voran. Doch irgendwann stellen wir uns dann doch die alles entscheidende Frage: Wie sieht es eigentlich in den anderen Gegenden so aus? Im Westen (Si)? Oder sogar im Süden (Te), von dem wir ja nun am allerweitesten entfernt sind? Neugier macht sich in uns breit und wir drehen uns um. Was sehen wir? Wir sehen unsere Fußspuren und den bereits zurückgelegten Weg. Und wir sehen den unbekannten Horizont, die weit entfernten Gegenden des Westens (Si) und Südens (Te). Von unserer Position aus ist es viel weiter nach Süden (Te) als nach Westen (Si). Also wenn wir nochmal etwas Unbekanntes erforschen wollen, dann machen wir uns auf Richtung Westen (Si), denn wir können ja gar nicht wissen, ob wir es bis zum Ende unseres Lebens noch Richtung Süden (Te) schaffen. Aber gerade deswegen übt der Süden (Te) einen besonders starken Reiz auf uns aus. Es ist bestimmt richtig exotisch und geheimnisvoll dort! Wir kennen ja nur den Norden (Fi), der für uns selbstverständlich geworden ist und einen Teil des Ostens (Ne).
Das unbekannte Unterbewusstsein
Wie wir uns auch entscheiden, bis es zu dieser Überlegung kommt, ist schon ein großere Teil der Zeit (unseres Lebens) vorbei. Wir haben einen Teil unseres Weges beschritten. Nur die wenigsten machen sich jetzt noch auf das Unbekannte zu erforschen. Und genauso funktioniert unsere Persönlichkeit.
Wir haben eine feste Perspektive auf das Leben. Wir sind immer Richtung Norden gewandert, weil wir es gar nicht anders konnten, zu Beginn unseres Lebens. Wir haben einen möglichen Weg erkundet. Und dieser Weg hat unser Leben geprägt. In unserem Beispiel haben wir uns von Fi (dem introvertierten Fühlen) leiten lassen. Wir haben das Gegenstück Te (extrovertiertes Denken) nie wirklich gesehen, höchstens aus der Ferne. Wir kennen Ne (extrovertierte Intuition) im Osten etwas und auch ein bisschen was von Si im Westen (introvertiertes Empfinden). Unsere Kartes des Lebens ist gezeichnet. Wir sehen unser Lebens aus der Sicht von Fi und sind fasziniert von der anderen Seite, von Te, weit im Süden…und damit im Unterbewusstsein.
Nur die wenigsten Menschen versuchen mit ihrem Unterbewusstsein ins Reine zu kommen und doch nochmal Richtung Süden zu wandern. Es ist immer ein harter und langer Weg. Doch auch C.G.Jung war der Meinung, dass nur durch diesen harten Weg das wichtigste Ziel überhaupt erreicht werden kann: Die Individuation. Das Ziel ist nichts anderes als das „vollkommene Ich“ zu werden. Und damit ist nichts „perfektes“ gemeint, denn wie jeder sehen kann, gibt es 8 Funktionen. 4 Funktionen liegen mehr oder weniger völlig außerhalb unserer Welt, unseres Kompasses (in unserem Fall wären das Fe, Ni, Se und Ti). Als Ziel reicht es schon unser „bestmögliches Selbst“ zu leben.
Doch genau das ist sehr schwer. Wir Menschen lieben das Bekannte und die Routine. Sind wir erstmal auf einem Weg, halten wir selten an oder wechseln die Richtung. Oft kommt es dann zu einer Art Midlife-Crisis oder Ähnlichem. Das ist nichts anderes als eine psychische Veränderung. Das ist allerdings keine Magie, sondern kann mithilfe der kognitiven Funktionen und dem eigenen Kompass erklärt werden.
Dieser Kompass, die meisten Leser werden es sicher schon erraten haben, ist unser Persönlichkeitstyp. Er zeigt uns unsere Stärken und Schwächen, aber auch unseren Weg und bietet Orientierung.
In unserem Beispiel heißt der Persönlichkeitstyp: INFP.
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Weitere Themen:
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Jung – Eine Einführung mit Farben
Meine eigenen Ideen für eine Persönlichkeitstypologie (Update geplant!)
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