Andere Menschen zu analysieren ist einfach, geht schnell und macht Spaß. Das einzige Problem (was für viele jedoch keines ist) ist das Vorurteil. Doch darüber habe ich mich bereits ausgelassen (
siehe hier).
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Nun ja, demgegenüber ist es schwierig, geht nur langsam voran und macht oft keinen Spaß, wenn man sich selbst (und seine Fehler) zu analysieren versucht.
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Vermutlich liegt es daran, dass wir denken, wenn unser Selbstbild sich „verschlechtert“, dass auch unser „Gesellschaftsbild“ (also das, was wir gerne nach außen hin darstellen würden) Minuspunkte sammelt. Und mal ehrlich: Jeder Mensch hat Angst sich (vor anderen!) zu blamieren und/oder zu versagen. Nicht in jedem Bereich, aber garantiert in mindestens einem Bereich (in der Karriere, als Familienvater, als Mutter, als Geliebter oder als beste Freundin etc.). Ich glaube jedoch, dass es etwas positives und befreiendes hat, sich selbst -inklusive aller Fehler!- kennen zu lernen. Und auch wenn diese Theorie nicht auf alle Menschen zutrifft, so trifft sie doch in jedem Fall auf mich zu. Und darum soll es in diesem Artikel gehen.
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Das „Möchtegern-Genie“
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Aber genug der Vorrede, kommen wir zum Hauptthema des Artikels: Das Problem des Möchtegern-Genies. Ein Möchtegern-Genie ist nicht nur nervig für seine Umwelt, sondern vor allen Dingen für sich selbst.
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Warum?
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Ein Genie hat ja Talent, er braucht nichts zu lernen. Talent ist einerseits schön, aber andererseits kann es auch ein Problem sein. Wer zu viel Talent hat (oder das glaubt), gerät schnell in die Versuchung, nie das Lernen zu lernen, wird kein „
Held„, sondern maximal ein „Bösewicht“ und Zyniker. Und der Bösewicht verliert am Ende immer, wie wir wissen. 😉 Doch wie kann es sein, dass es soweit kommt? Die Antwort ist gleich doppelt „
einfach„. Jemand, der ohne größere Anstrengung einigermaßen akzeptablen Erfolg hat sucht immer den
einfachen Weg.
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Ich, ein Genie?
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So jemand wie ich.
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Ich möchte mich nun keinesfalls als „Genie“ bezeichnen. Ich wäre gern eins, ja, bin es aber nicht. „Möchtegern“ nennt man so jemanden. Aber der Kern bleibt wahr. Ich hatte das Glück/Können mit minimalstem Aufwand einigermaßen „durchzukommen“. Allerdings habe ich daher nie gelernt mich wirklich anzustrengen, Hindernisse zu überwinden und dann am Ende einen Erfolg zu erreichen und zu feiern. Und das hat fatale Konsequenzen! Denn wer diese Schritte nicht kennen lernt, kann unmöglich Selbstvertrauen gewinnen.
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Denn Selbstvertrauen gewinnen wir dadurch, dass wir uns Situationen stellen, diese überleben oder sogar lösen und meistern.
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Wer also nicht lernen will, hat Angst vor Situationen, die neu für ihn sind, da Sie die Gefahr bergen, dass man sich blamiert, weil man sich nicht auskennt.
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Der „richtige Weg“
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Doch wie kann es überhaupt so weit kommen? Nun ja, zum einen versucht der eigene Verstand ständig diese Fehler irgendwie zu vertuschen. So wird dann einfach die Theorie entwickelt, dass jeder Mensch in gewisser Art und Weise eine Begabung oder ein Talent und einen „richtigen Weg“ hat. Auch wenn diese Theorie nicht falsch sein muss, so impliziert sie dennoch, dass es auf dem „richtigen Weg“ keinerlei Hindernisse oder Schwierigkeiten zu überwinden gibt! Man denkt dann schnell, dass der „richtige“ auch automatisch der „einfache“ Weg ist! Denn, so der Gedanke, wenn es schwierig ist, kann es ja kaum der „richtige Weg“ sein, denn woran soll ich sonst bitte den „richtigen Weg“ erkennen, wenn ALLES schwierig ist? (Die passende Antwort wäre natürlich, dass man es irgendwie „fühlt“, wenn man auf einem „guten Weg“ ist.)
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Gründe für den einfachen Weg
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Aber kommen wir zum Thema zurück: Der oben genannte Gedankengang ist völlig natürlich für jemanden, der mit minimalem Aufwand durchs Leben will. Denn man sucht nach der einfachen Lösung, damit man sich selbst als Genie fühlen kann, wenn man seine Probleme mit dieser einfachen Lösung löst. So denken sicher alle „Wow, ist der schlau/begabt/intelligent!“ Zumindest ist dies der Wunsch-Gedanke des „Möchtegern-Genies“. Das ist ganz angenehm, oder nicht?
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Aber es gibt noch einen weiteren Aspekt, der mir als Möchtegern-Genie „hilft“. Schafft man es zum Beispiel ohne großes Lernen in einem Test eine „gute“ Note zu schreiben, so kann man sich alleine durch folgenden Gedanken einen Ego-Boost holen:
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Was wäre erst gewesen, wenn ich mich richtig angestrengt hätte!
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Es ist so etwas wie eine Reserve, die man niemals anzapft. Denn wenn man sich wirklich voll anstrengen würde, könnte es ja passieren, dass man scheitert! Und das wäre fatal, denn dann gäbe es keine Ausreden mehr. Wer sich nämlich nie richtig angestrengt hat, hat immerhin immer die Sicherheit-Ausrede in der Hinterhand, dass man ja viiiiiiiiel besser gewesen wäre, wenn man sich richtig angestrengt hätte. Mit dieser Ausrede kann man sich automatisch immer weiter für ein Genie halten (und wir darin oft sogar noch bestätigt).
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Die Wende
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Naja, zumindest so lange, bis man wirklich ernsthaft scheitert. Plötzlich schafft man etwas nicht mehr locker mit minimalstem Einsatz. Was nun?
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Zwei Möglichkeiten: Erstens, man strengt sich nun voll an (was die Ängste des Genies vor Versagen weckt) oder zweitens: Man weicht aus und behauptet, dass man das ja gar nicht brauche/nötig habe, weil es Quatsch oder sinnlos sei oder man das ja eh nie wirklich gewollt habe.
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Ich glaube, dass beide Wege theoretisch eine positive Wende bewirken können. Im ersten Weg kann man scheitern oder bestehen. Besteht man, so hat man gelernt zu lernen, also alles super für die Zukunft. Scheitert man, so wird man als Möchtegern-Genie schnell in ein tiefes Loch des Selbstzweifels fallen, was sicher hart ist. Doch irgendwann kommt immer Licht am Ende des Tunnels und vermutlich erkennt man seine Fehler und Schwächen und schreibt zum Beispiel in seinem Blog darüber. 😉
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Ist man jedoch dem Problem ausgewichen, so wird man langfristig ebenfalls in ein Loch fallen, da man immer deutlicher zu sehen kriegt, dass andere einen plötzlich nicht mehr für ein Genie halten (Menschen spüren „Möchtegerns“ sehr schnell auf). Und da ein Möchtegern-Genie ein Problem damit hat, wenn man nicht als intelligent gesehen wird (man möchte nicht als aufgeblasener Gockel dastehen), muss er zwangsläufig etwas ändern.
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So wird das Möchtegern-Genie langsam erwachsen. Entweder schließt er Frieden mit sich und der Welt und akzeptiert, dass er kein Genie, sondern nur ein normaler Mensch, sein muss, um geliebt und respektiert zu werden. Oder er lernt zu lernen und wird tatsächlich das Genie, das er immer sein wollte…
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Ob das klappen kann? Wir werden sehen! 😉
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Fortsetzung folgt…
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